In fünf “Lockdown Lessons“ während der Hochzeit der Corona-Pandemie in Deutschland hat polisphere gemeinsam mit der Initiative Offene Gesellschaft und dem Auswärtigen Amt einen digitalen Gesprächsraum geschaffen, um gemeinsam über die Auswirkungen der „heruntergefahrenen Gesellschaft“ zu reflektieren. Der Blick nach vorn war dabei das zentrale Element der Veranstaltungsreihe:

Was nehmen wir aus dem Lockdown mit in die neu gestartete Welt? Welche Techniken haben wir in diesen Wochen verlernt? Welche gestärkt? Das innovative Digitalformat wurde in Form von „Denksprints“ zu persönlichen Isolationserfahrungen, europäischer Öffentlichkeit, Wissenschaftskommunikation, Klimawandel und zivilgesellschaftlichem Miteinander gestaltet.

LESSON 1 –

Persönliche Takeaways aus der Isolation

Während der globalen Krise sind unsere sozialen Brücken länger und flexibler geworden. So lernten wir, dass der Lockdown und die physische Distanz soziale Interaktionen nicht stoppen: Vielmehr schufen sie Raum für kreative Lösungen, verstärkten die Anerkennung von Beziehungen und förderten eine tiefere Reflexion darüber, wie wir mit anderen zusammenarbeiten und kommunizieren.

Die wirkliche Chance liegt jedoch darin, ob wir in der Lage sind, auch nach dem Lockdown das Gelernte zu bewahren und umzusetzen und das Bewusstsein dafür aufrechtzuerhalten, wie und zu welchen Zwecken wir unsere Stimme einsetzen.

Die persönlichen Isolationserfahrungen wurden drei parallelen Denksprits diskutiert:

  • Wie gehen wir mit zu viel Nähe um? Wohin, wenn die Rückzugsorte fehlen
  • Denksprint II: Wie gehen wir mit Isolation um? Wie bewegt sich das Denken, wenn es der Körper kaum noch tut?
  • Wie schaffen wir geistige Nähe trotz physischer Distanz? Unter welchen
    Umständen kann Digitalität tröstlich sein?

Tim Heitland
Arzt und Stationsleiter, „Neumayer-Station III“ in der Antarktis

Jasmin Schreiber
Autorin von „Marianengraben“  

Robby Hunke
Sportkommentator

Beata Kròl
Marine Kapitänleutnant

Jutta Allmendinger
Präsidentin, Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB)

LESSON 2 –

Neue Chancen für ein European
Public Space

„Europa“ ist dieser Tage zu einer abstrakten Idee geworden – für manche vielleicht sogar noch abstrakter als sonst. Geschlossene Grenzen, nationale Reflexe und Krisenrhetorik bestimmen das Bild des europäischen Projekts. Grenzüberschreitende und vor allem auch zivilgesellschaftliche Verständigung wird in der Krise zwar mancherorts gelebt, doch zu selten sichtbar.

In dieser Ausgabe unserer Lockdown Lessons [Neue Chancen für einen European Public Space] luden polisphere und die Initiative Offene Gesellschaft daher zu einem Gespräch über die Frage ein, wie wir den europäischen Raum digital und analog neu beleben und erleben, wo wir uns begegnen und wie wir miteinander kommunizieren können – sowohl während der Coronakrise
als auch danach.

In drei partizipativen Denksprints diskutieren wir die Fragen:
• Can you put on your mic, please? Wie Sprache von der Hürde zur Horizonterweiterung werden kann.
• Let’s talk/play/cook together. Wie digitale Räume gestaltet sein müssen, damit sie EuropäerInnen zusammenbringen.
• Schengen will be back. Teilhabe in europäischen physischen Räumen.

Prof Dr. Julia von Blumenthal

Präsidentin der Europa-Universität Viadrina

Sabine Mehnert

Projektleitung von Talking Europe

Martin Speer

Initiator von #FreeInterraile

Prof Dr. Andreas Gardt

Professor für Germanistische Sprachwissenschaft/Sprachgeschichte an der
Universität Kassel

LESSON 3 –

Wissenschaftskommunikation: Das Comeback der Fakten

In vielen von der Coronavirus-Pandemie betroffenen Ländern sind WissenschaftlerInnen zu Fixpunkten der öffentlichen Debatte geworden. Nicht nur, weil sie in Zeiten allgemeiner Verunsicherung Zugang zu den wenigen belastbaren Informationen haben und diese interpretieren können. Sondern auch, weil sie meist in unaufgeregter und ungefilterter Sprache Orientierung geben. Teilweise haben sich echte Starkulte gebildet, auf der anderen Seite provoziert diese nüchterne Realität auch Aggression bis hin zu Morddrohungen – sogar von „Virologen-Diktaturen“ ist die Rede.

Parallel zur Renaissance der Fakten bekommen Verschwörungstheorien und Desinformation Auftrieb. Dennoch ist die derzeitige Lage eine Chance, Wissenschaft eine neue Rolle in unserem Denken und Handeln einzuräumen. Wie das funktionieren kann, haben wir in unserer dritten Lockdown Lesson „Wissenschaftskommunikation: Das Comeback der Fakten“ diskutiert.

Dies geschah in drei Denksprints:

  • Kontext is King: Warum Daten allein noch kein Wissen sind
  • To smart to fail? Lernen von der wissenschaftlichen Fehlerkultur
  • Die neue Wut des Aluhut  – Desinformation und Verschwörungsmythen

Prof. Jörg Stoye

Cornell University

Juidth Wellen
Alexander von Humboldt Stiftung 

Alice Stollmeyer

Defend Democracy

Michelle Müntefering

Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik

Joybrato Mukherjee

Präsident der Justus-Liebig-Universität Gießen

Vito Cecere

Referatsleiter im Auswärtigen Amt

LESSON 4 –

Flattening Global Warming:
Menschsein im Anthropozän

Die weltweiten Emissionen werden im Jahr 2020 auf ein Rekordtief sinken und auf einmal ist all das möglich, was KlimaschützerInnen schon seit jeher fordern: mehr Radwege in den Städten, Reduzierung des Flugverkehrs und ausbleibende Luft- und Wasserverschmutzungen eröffnen im wahrsten Sinne des Wortes neue Perspektiven. Das Virus zeigt der Menschheit ihre Grenzen und Verletzbarkeit auf und führt eindrücklich vor Augen, dass eine kollektive Reaktion auf globale Herausforderung möglich ist, wenn die Dringlichkeit gegeben ist.

Dabei stellt die Pandemie auch jenseits des Klimaschutzes die Frage nach dem Verhältnis vom Menschen und Natur im Zeitalter des Anthropozäns, der menschengemachten oder zumindest -gestalteten Epoche. Wie versteht sich eine Spezies, die in immer mehr Bereiche vordringt und diese dabei bewusst oder unbewusst oft zum Negativen umgestaltet? Wie kann uns der momentane „Full Stop“ helfen, aus dem invasiven einen symbiotischen Umgang mit unserem natürlichen Lebensraum zu machen? Was bedeutet das für Globalisierung, Digitalisierung, Mobilität und die Zukunft der Arbeitswelt?

Diese Fragen haben wir in drei partizipativen Denksprints erforscht:

  • Good Tech, Bad Tech: Machen wir uns die Welt, wie sie uns gefällt?
  • Aufwärmphase: Die Corona-Pandemie als Blaupause für den Kampf gegen die globale Erwärmung?
  • Today vs. Tomorrow: Warum langfristige Konsequenzen zu wenig Handlungsdruck erzeugen

Stéphane Dion

kanadischer Botschafter und ehem. Umweltminister

Dr. Friederike Otto

Environmental Change Institute

Dr. Eva Horn

Universität Wien

Dr. Gregor Hagedorn

Scientist for Future

Mona Hille

Projektmanagerin Fundraising & Campaigning bei GermanZero

LESSON 5 –

Civil society spirit despite closed borders

As the coronavirus began impacting European societies, many wondered: How can our societies continue to feel connected in times of physical distancing, minimal contact and closed borders? How can we use this crisis to develop strategies to make our society more resilient, networked and empathetic in the future? Zooming in on civil society, we wondered: how can organizations and loose movements do justice to their roles and responsibilities in this time of closed borders and upheavals? Months later, looking around, it becomes clear that civil society has taken on new, creative forms of action to remain interconnected throughout these challenging times.

In addition to changing our relationship with physical borders and accessibility, the virus has also amplified our awareness of pre-existing social and cultural borders. Stories of isolation, work and economic security have significantly varied depending on factors which are out of an individual’s control. Moreover, against the backdrop of a virus which continues to exacerbate existing inequalities; the murders of black citizens by police in the USA have made the borders of race and discrimination visceral. What may have started as a mobilization of thousands to say Black Lives Matter, has transformed into an invigorated international movement calling to reform systems of racism, inequality, discrimination, and social justice everywhere.

As the lockdown is lifting, our fifth and last Lockdown Lesson is focusing on the takeaways civil society can draw from these times of multiplying borders. What responsibility do we carry as individuals and how can we amplify voices of realities we have not lived within our own spheres of influence? How can internationally conjoined movements be strengthened and sustained in their respective countries? And most importantly, which tools do we need to build up societies with egalitarian and sustainable structures that will be able to withstand the next crisis? 

Merle Grimme
Filmregisseurin und Drehbuchautorin

Leah Czollek

Autorin, Mediatorin und Trainerin  

Karim Fathi
Resilienztrainer und Kommunikationsberater

Kübra Gümüşay

Journalistin, Bloggerin und Autorin

Andreas Görgen
Jurist und politischer Beamter